EDINBURGH.

„ […] Der Moment des tatsächlichen Fassens einer Szene ruft in mir ebenfalls einen spezifischen Erfahrungscharakter hervor. Dieser Augenblick, etwas in der Welt des Alltags zu finden, das einen beim Anblick rührt, und dieses bewahren zu dürfen, ist besonders. Die objektbegleitete Aufmerksamkeit auf Besonderheiten und humoristische Positionen, auf auffällig Reguläres und Ergreifendes sowie auf oft unbestimmbar Persönliches, bewegt mich zutiefst. Die Spannungen zwischen dem Begegnen eines Aufkommens und dem Festhalten desselben, zwischen dem Sehen einer Eigenheit und deren Aufnahme, sind mit einer besonderen Eigenschaft versehen, die ich zurzeit nur „ästhetisch“ nennen kann.

Die Erfahrung beim Fotografieren ist auf diese Weise nochmals einzigartig, da sie einem einen gewissen Handlungsraum erlaubt: Erblickt man eine Szene, wird man durch den Besitz des Apparats ermächtigt, Teil der Szene zu werden. Nicht nur durch die Begegnung beziehungsweise durch die Beobachtung allein, sondern durch die Möglichkeit, in dieses Erscheinen hineinzutreten und sie durch das Mittragen der Kamera als wertig der Aufbewahrung bestimmen zu dürfen. Ein in mir tiefer Wunsch wird darin erfüllt, das eigene Gerührt-Sein als legitimen Grund erachten zu dürfen, in die Welt einzugreifen. Eine Erlaubnis zu haben, diese Begegnung für die eigene Erinnerung oder für ein zukünftiges, anderes Wieder-Begegnen mitnehmen zu dürfen: ein Teil dieses Augenblicks behalten zu können, der sich so schnell verändern wird und nie wieder so sein wird, wie er sich in diesem Moment offenbart. Denn selbst wenn man die gesehene Szene räumlich nachstellen würde, ihr genau den gleichen Ausdruck verleihen würde, jeden Krümel, jede Fliege, jeden Windzug und jeden Sonnenstrahl in die gleiche Position stellen würde: Zeit ist nicht wiederholbar. Und unsere Erfahrung mit ihr auch nicht […].“